In acht Schritten zurück auf Feld eins
Es war einmal ein Wohn- und Pflegezentrum, das Wert auf bestens qualifizierte Mitarbeitende legte – und das noch heute tut. Diese Mitarbeitenden zu finden, ist in Zeiten des Fachkräftemangels nicht immer einfach. Und ist die Rekrutierung schliesslich von Erfolg gekrönt, geht es vielfach mit der Schreibarbeit und dem administrativen Hürdenlauf los. Das gilt ganz besonders bei Führungspositionen. Aber lesen Sie selbst …
Doppelt genäht hält besser
Vor einiger Zeit bekam das erwähnte Alterszentrum eine neue Leiterin. Wie immer in solchen Fällen musste das Zentrum gegenüber den kantonalen Aufsichtsbehörden den Nachweis erbringen, dass die neue Institutionsleitung «sowohl über eine entsprechende Ausbildung als auch über die erforderlichen Sozial-, Fach- und Führungskompetenzen verfügt.» Neben Lebenslauf mit Diplom- und Zeugniskopien sowie Angaben zu Gesundheit war unter anderem auch ein Strafregisterauszug einzureichen. Genauer gesagt waren zwei Strafregisterauszüge erforderlich, ein Privatauszug sowie ein Sonderprivatauszug. Während der Privatauszug alle Urteile wegen Verbrechen und Vergehen aufführt, gibt ein Sonderprivatauszug nur Auskunft über Urteile, die ein Berufs-, Tätigkeits- oder Kontakt- und Rayonverbot zum Schutz von Minderjährigen oder anderen besonders schutzbedürftigen Personen enthalten. Somit stellt sich natürlich die Frage, ob wirklich beide Auszüge nötig gewesen wären. Doch wie auch immer: Die Gemeinde ging auf Nummer sicher und verlangte beide Dokumente. Denn doppelt genäht hält ja bekanntlich besser.
Online und digitale Bürokratie in Theorie und Praxis
Doch doppelt genäht ist manchmal auch viermal so aufwändig. Wie anspruchsvoll die Beschaffung der Registerauszüge ist, zeigt schon ein kurzer Blick auf die Website des zuständigen Bundesamts für Justiz. Die Anleitung für den komplexen Bestellvorgang wird nicht nur im Lauftext, sondern auch tabellarisch und grafisch dargestellt und mittels FAQs (Frequently Asked Questions) vertieft.
Wer sowohl Privat- als auch Sonderprivatauszug benötigt, muss – so die Erklärung auf der Website – zwei separate Bestellungen auslösen. Laut Website dauert das pro Auszug 10 bis 15 Minuten und kostet jeweils 20 Franken, zu bezahlen entweder am Postschalter oder online via Kreditkarte. Während ein Privatauszug in Eigenregie angefordert werden kann, ist für den Sonderprivatauszug zusätzlich eine elektronisch auszufüllende Bestätigung des Arbeitgebers erforderlich. Liegen alle Unterlagen vor, sind von den diversen Beteiligten online und per Post weitere acht Schritte zu absolvieren, bis der Sonderprivatregisterauszug in Empfang genommen werden kann. Soweit die Theorie.
In der Praxis las die neue Institutionsleitung die Erklärungen auf der Website des Bundesamts für Justiz, besorgte alle erforderlichen Unterlagen des Arbeitgebers, erstellte eine Kopie des eigenen Passes, füllte sämtliche Online-Formulare aus, trug den Code für die Bestätigung des Arbeitgebers ins richtige Feld ein, überwies die fälligen Gebühren, druckte die Online-Formulare aus, unterschrieb sie und reichte sie vorschriftsgemäss per Post ein. Dass dafür ein oder zwei Schritte mehr nötig waren und alles etwas länger dauerte als die Website suggerierte, muss hier wohl nicht speziell erwähnt werden.
Der Teufel liegt im Detail
Und dann geschah, was in keinem Schema, keiner Tabelle, keiner Visualisierung und keinen FAQs erwähnt worden war: Die neue Heimleiterin erhielt statt der beiden Registerauszüge den Bescheid, dass das Bundesamt für Justiz ihre Bestellung für den Sonderprivatauszug nicht ausführen könne. Die bereits bezahlten Gebühren würden umgehend zurückerstattet. Und man bitte sie, den Bestellvorgang noch einmal auszuführen. Von Anfang an, mit allen Unterlagen und der erneuten Überweisung der erforderlichen 20 Franken. Aber dieses Mal solle die Antragstellerin bitte auf vollständige Vollständigkeit achten – und an der einen erforderlichen Stelle den Firmenstempel nicht mehr vergessen …
Und die Moral von der Geschicht’?
Ohne Stempel gilt der Antrag nicht! Und manchmal stellt man sich still und leise vor, wie sinnvoll eine hoch qualifizierte Institutionsleitung ihre Zeit einsetzen könnte – wenn da keine behördlich verordneten Leerläufe wären.
Sache git’s, die git’s gar nit.
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