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Jetzt geht es um die Wurst!
Es war einmal ein Unternehmen, das von einer Gemeinde das Mandat erhielt, das örtliche Alters- und Pflegezentrum mit 80 Betten zu führen. Und zwar so, wie es seinen Überzeugungen entspricht: Die Bewohnerinnen und Bewohner, ihr Wohl und ihre Wünsche stehen an erster Stelle. Wie viele haarsträubende Diskussionen nötig sind, um nach diesem Grundsatz arbeiten zu dürfen, zeigt die folgende Geschichte.

Ein klares Zeichen für die Profitgier der Privaten?!
Keine zwei Monate nach Mandatsantritt wurden der Verwaltungsratspräsident und der Geschäftsführer des besagten Alterszentrums von der kommunalen Fürsorgekommission an eine dringende Sitzung bestellt. Wichtigstes Traktandum: Eine Beschwerde, die bei der Kommission platziert worden war. Alarmiert überlegten sich Verwaltungsratspräsident und Geschäftsführer, was die Beanstandung ausgelöst haben könnte. Ihnen war klar: Wenn die Fürsorgekommission aktiv wurde, dann musste Gravierendes vorgefallen sein.
Die Beschwerde war in der Tat happig, wie sich an der Sitzung herausstellte: Der Vorwurf lautete, dass das Pflegezentrum beim Essen spare. So habe ein Besucher beobachtet, wie ein Bewohner am Nachbartisch nur eine halbe Bratwurst serviert bekommen hätte. Für den Besucher ein klares Zeichen für die Profitgier der neuen privaten Betreiber, die so ihre Kosten senken und ihre Gewinne maximieren würden.
Von der Fürsorgekommission mit dem Fall konfrontiert, wussten Verwaltungsratspräsident und Geschäftsführer zunächst nicht, wie ihnen geschah: Beim Essen zu sparen – das war eine Anklage, die so weit von der Realität weg war, wie sie nur sein konnte. Als nach intensivem Nachfragen schliesslich alle Fakten auf dem Tisch lagen, machte es beim Geschäftsführer «klick». Er sah die in der Beschwerde geschilderte Situation glasklar vor sich: An diesem Tag hatte das Menü dem Bewohner Hans M. besonders gut geschmeckt. Nachdem er seinen ersten Teller leergegessen und die erste Bratwurst genossen hatte, bat er beim Nachschöpfen ausdrücklich noch um eine halbe Wurst. Denn auch für Hans M. waren zwei ganze Würste zum Mittagessen dann doch etwas viel.

Wenn Würste die Wahrnehmung vernebeln
Verwaltungsratspräsident und Geschäftsführer atmeten erleichtert auf. Der über einstündige Anfahrtsweg und das ebenso lange Gespräch hatten sich gelohnt: Das Missverständnis war geklärt. Ganz offensichtlich hatte der Besucher, der die Beschwerde eingereicht hatte, die Szene völlig falsch interpretiert. Damit hätten sich die Sitzungsteilnehmer eigentlich auf den Heimweg machen können. Doch weit gefehlt! Die Fürsorgekommission schätzte das Risiko, dass sich ein solcher Fall wiederholt, als viel zu gross ein. Halbe Bratwürste könnten nur allzu schnell wieder den Eindruck erwecken, hier werde beim Essen gespart. Für die Kommissionsmitglieder war deshalb klar: Es müssen unterschiedlich grosse Würste her! Sie forderte den Geschäftsführer auf, in Zukunft verschiedene Wurstgrössen beim Metzger in Auftrag zu geben. Dass diese «Spezialanfertigungen» in keinster Weise den Bedürfnissen der Bewohnerinnen und Bewohner entsprachen, war ihnen wortwörtlich wurst – ebenso die damit verbundenen Zusatzkosten.

Genug ist genug
Doch jetzt hörte die Geduld des Verwaltungsratspräsidenten auf: Das Team des Alterszentrums sei den Bewohnern verpflichtet, hielt er unmissverständlich fest. Er gehe davon aus, dass auch die Fürsorgekommission die Bedürfnisse der Bewohner höher gewichte als die verschobene Wahrnehmung eines Unbeteiligten. Er sehe keinerlei Handlungsbedarf und schlage vor, die Diskussion an dieser Stelle zu beenden.
Und siehe da: Sein deutliches Votum zeigte Wirkung. Die Sitzung wurde geschlossen, der Beschwerdeführer über seinen Irrtum aufgeklärt – und das Wurstsortiment nach dem Gusto der Bewohnerinnen und Bewohner belassen.

Und die Moral von der Geschicht’?
Gegen falsche Prioritäten und blinden Aktionismus sind klare Worte Pflicht! Besonders dann, wenn sich gewählte Gremien aus lauter Angst vor möglicher Kritik in vorauseilendem Gehorsam zu unüberlegten Wursteleien hinreissen lassen.

Sache git’s, die git’s gar nit.

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Sind Sie in der Alters- und Pflegeheimbranche tätig? Haben auch Sie einschlägige Erfahrungen mit dem Amtsschimmel oder dem Papiertiger gemacht? Dann bereichern Sie diesen Blog und schicken Sie Ihre Geschichte an Cette adresse e-mail est protégée contre les robots spammeurs. Vous devez activer le JavaScript pour la visualiser.!


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